Eine sechsköpfige Kommission erforscht Stadtrandzonen. In transdisziplinärer Zusammensetzung geht sie den Auswirkungen aktiver Business-Ansiedlung nach und schlägt Alternativ-Szenarien der Quartierentwicklung vor. Nach Monaten der Vorbereitung zieht die Gruppe ins Zentrum ihrer Forschungsinteressen, in einen immensen, umzunutzenden Bürobau. Mitarbeiterin Michèle Bernstein arbeitet dort bereits seit längerem. Sie glaubt einem seltsamen Geräuschphänomen auf der Spur zu sein. Bei ihrer Ankunft trifft die Kommission statt auf Bernstein aber nur auf einen Stapel Taschenbücher, die deren Tagebuch enthalten. Was wie ein Scherz beginnt, eskaliert schauerlich. Bis die Kommission wortwörtlich ihrer eigenen Sprache begegnet ...
«Der Bau der Wörter» handelt von Planungsrhetorik und den in ihr verborgenen Wünschen. Auf der Genre-Folie von Grusel- und Schauerromanen verschmilzt in einem weitläufigen Bürokomplex in Zürich-Seebach das architektonische Unbewusste mit der Sprache der Randstadt. Die Inszenierung selber dreht sich um eine Buchpublikation, die den Zuschauer_innen zu Beginn der Vorstellung mit dem Eintritt ausgehändigt wird. In ihr lesen Figuren wie Publikum gleichermassen den in die Architektur eingeschrieben Erfahrungen hinterher.
Das Stück spielte in Wiederholungsschlaufen dreimal hintereinander, die ZuschauerInnen wurden in drei Busfahrten vom Zürcher Kreis 4 in die Randstadt, nach Seebach, gefahren. Im Spuk der Handlungsschleife steckte ein realer Stachel: Der Aufführungsort Schaffhauserstrasse 550 in Zürich-Seebach wurde von der Firma Contraves 1983 als Firmenhauptsitz errichtet. Die Contraves produzierte bis 1999 Flugabwehrkanonen für den Konzern Oerlikon-Bührle.
«Der Bau der Wörter» wurde mit dem Kameramann Lukas Franz per Steadicam-Verfahren verfilmt und existiert in installativer Form weiter.
Besetzung
Schauspiel: Ariane Andereggen, Philippe Graber, Christoph Rath, Ursula Reiter, Cathrin Störmer | Text, Regie, Raum: Tim Zulauf | Dramaturgie: Andreas Storm | Sound: Bernd Schurer | Grafik, Buchedition: Aio Frei, Georg Rutishauser / edition fink | Produktionsleitung: Lukas Piccolin Projektverantwortung: Love, Peace & Happiness: Iris Vollenweider, Fischer Liegenschaften Management
Film
Format HD-Video, Farbe, 1' 02'', 2010/2014, Vertrieb mit Buchedition «Tagebuch einer Planung» von Michèle Bernstein | Text, Regie: Tim Zulauf | Schauspiel: Ariane Andereggen, Philippe Graber, Christoph Rath, Ursula Reiter, Cathrin Störmer | Kamera, Steadicam: Lukas Franz | Fokus: Thomas Karrer | Ton: Franziska Koch, Bernd Schurer | Schnitt: Guido Henseler
Aufführung
Zürich Seebach, Schaffhauserstrasse 550: 29. August, 01., 02., 03., 05., 08., 09. und 10. September 2010
Ausstellung
Helmhaus Zürich: «Geschichten in Geschichte», 13. Februar bis 12. April 2015
Publikation
Rachel Mader (Hg): «Radikal ambivalent. Engagement und Verantwortung in den Künsten heute», Diaphanes, Zürich 2014
KMUProduktionen in Koproduktion mit Les Complices* und edition fink. Unterstützt durch Stadt Zürich Kultur, Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Migros-Kulturprozent, Familien Vontobel Stiftung, Schweizerische Interpretenstiftung, Ernst Göhner Stiftung. Projektverantwortung Schaffhauserstrasse 550: Love, Peace & Happiness, Iris Vollenweider, Fischer AG Immobilienmanagement
Stimmen
Kulturelle Auszeichnung der Stadt Zürich 2011, Bereich Theater
«Das Publikum bewegt sich frei und erlebt so die Architektur am eigenen Körper, die Schauspieler sind über Lautsprecher jederzeit hörbar, selbst wenn sie körperlich nicht (mehr) anwesend sind: Das Theater wird zum Hörspiel wird zur Installation, die Figuren werden zu Stimmen werden zu Bedeutung. Ein schlaues Experiment in sehenswerten Räumen mit dunkler Vergangenheit.» Züritipp, 31.08.2010
Artikel Artforum International, Heft Februar 2011.
Artikel «Wir planen ein Quartier». Die Wochenzeitung, 02.09.2010
Fotos: Andreas Lehner, Andrea Thal, Tim Zulauf | Videostills: Lukas Franz