Das Projekt «Entgeisterung» baut eine experimentelle Anlage auf: An jedem der fünf Aufführungsabende wird ein Skript verfilmt, um Audio- und Video-Material für einen Kunst-Film zu sammeln. Aus den Dreharbeiten sieht das Publikum dabei einen Rohschnitt: Auf der Leinwand lässt sich in Echtzeit verfolgen, wie sich die von den Schauspieler*innen Vivien Bullert, Agnes Lampkin und Christoph Rath gespielten Szenen den virtuellen Welten des Künstlers Yves Netzhammer annähern – und umgekehrt. Der Musiker Nicolas Buzzi interpretiert dazu live auf einem modularen Synthesizer-System, und erzeugt den akustischen Boden für die Endmontage des Films. Produktion und Fiktion, Herstellung und Erzählung vermischen sich. Untersucht wird, inwiefern der Fetisch «Film» mit seinem untoten Lichter-Leben die gesellschaftlichen Verhältnisse überblendet, die in ihm stecken.
Die Handlung von «Entgeisterung» folgt der Therapeutin Joan Rivière. Zusammen mit dem Raumpfleger Stefan Huld führt sie die Kunsthistorikerin Stefanie Imbach in eine Welt «handelnder» Dinge. Was als Begegnung mit biographischen Gegenständen und Szenen beginnt, gipfelt, unter Einsatz grotesker Wendungen, in einem Kampf um Umstände, an die gemeinsam «geglaubt» werden kann. Wer aber sind die Figuren wirklich? Und ergibt sich aus der Suche nach verbindlichen Verankerungen in der Welt und ihren Gegenständen ein neuer Materialismus, in dem Dinge und Menschen zu einer ökologischen Ökonomie finden?
Inhaltlich entwickelt sich «Entgeisterung» entlang der verschlungenen Begriffsgeschichte des «Fetischismus». In der frühen Ethnographie, in der Psychoanalyse und im Marxismus fusst der Ausdruck auf Unterstellungen und Überhöhungen: Immer wurde bei «Anderen» – seien es fremde Völker, geistig Erkrankte, Frauen, oder Kosument*innen – eine naive Abhängigkeit von magischen Objekten, Masken, Kleidern oder Waren angenommen. Wo und wie im Glauben an Dinge gemeinschaftliche Handlungen und soziale Kreativität stecken können, ging bei diesen Zuschreibungen vergessen. Rücksichtsvolle Fremdwahrnehmung war für die frühen portugiesischen Kolonisatoren, die West- und Mittelafrika ausbeuteten, und dabei den abschätzigen Begriff «feitiço» – das Gemachte, Gebastelte, Zaubermittel – in die Welt setzten, schon gar nicht von Interesse.
Dauer: 75 Minuten | Sprache: Deutsch
Aufführungen
Gessnerallee Zürich, 2018, FR 30.11. 20 Uhr / SO 02.12. 18h / DI 04.12. 20 Uhr / DO 06.12. 20 Uhr / SO 09.12. 16 Uhr (Zusatzvorstellung) und 18 Uhr
Schauspiel: Vivien Bullert, Agnes Lampkin, Christoph Rath | Text, Regie: Tim Zulauf | Bildwelten: Yves Netzhammer | Videoregie, Schnitt: Noemi Sugaya | Kamera: Dominique Margot, Susanne Hofer | Musik, Sounddesign: Nicolas Buzzi | Kostüm: Zuzana Ponicanova | Licht: Michael Omlin | Dramaturgie: Andreas Storm | Assistenz Text, Video, Cues: Sarah E. Müller | Maske: Dorothea Stich | Beratung Greenscreen: Martin Schaffner | Bau Greenscreen: Kurt Brun, Christian Eberhard, Jason Klimatsas, Tanja Roscic | Administration: Lena Critelli | Produktionsleitung: Lukas Piccolin | Mit herzlichem Dank an das Team der Gessnerallee
Pressestimmen
«Wir haben, sorry, nichts davon kapiert. Dafür aber zauberhaftes Theater gesehen.» Tages-Anzeiger, 04.12.2018
« … – experimentell, geistreich, heiter.» Züritipp, 06.12.2018
Eine Produktion von KMUProduktionen (Verein, Zürich), in Koproduktion mit Gessnerallee Zürich | Mit freundlicher Unterstützung von Stadt Zürich Kultur und der Ernst Göhner Stiftung
Videostills: Dominique Margot, Susanne Hofer | Renderings: Yves Netzhammer | Fotos: Nik Spoerri